Homophobie kann tödlich sein.
In Markus‘ Heimatdorf ist kein Platz für einen Schwulen. Seit seine Pflegeeltern mitbekommen haben, dass ihr Ziehsohn Männer mag, steht er 24 Stunden am Tag unter Beobachtung und darf nicht einmal mehr telefonieren. Drei Tage später findet Markus sich in einem Kinderheim wieder, kurz darauf in einer betreuten Jugend-WG.
Ein Fortschritt: „Klar gab es mal die eine oder andere antischwule Anfeindung, aber grundsätzlich ging es mir dort sehr gut“, erinnert sich Markus. Endlich kann er unbehelligt Männer kennen lernen. Über HIV und Aids weiß er zu diesem Zeitpunkt kaum etwas. Woher auch? In der Pflegefamilie wurde über so etwas nicht gesprochen. In der Jugend-WG ist die Sexualität des jungen schwulen Bewohners auch kein Thema. In der Schule sowieso nicht.
„Ich habe immer für mich kämpfen müssen.“
Mit 18 erhält Markus seine HIV-Diagnose. Zu diesem Zeitpunkt ist er bereits schwer krank. Schon seit zwei Jahren hat er starke Blutungen und höllische Schmerzen im Kiefer. Mehrere Zähne sind gezogen worden, ohne dass die Ärzte auf die Ursache kommen. Bis Markus in seiner Not einen weiteren Zahnarzt ausprobiert. Der weiß sofort Bescheid: „Entweder Sie haben Leukämie oder Aids.“ Der HIV-Test fällt positiv aus.
Für Markus ist die Diagnose in diesem Moment das Ende: „In meinem Kopf war zunächst mal Leere. Dann kam der Gedanke, dass das Leben jetzt vorbei ist und ich jeden Moment sterben werde.“
Doch Markus will leben. Er tritt die Flucht nach vorne an, outet sich gegenüber seinen Freunden. Einige gehen auf Distanz, mit anderen wird die Bindung umso stärker.
Zwei lassen sich sogar mit ihm für ein Plakat ablichten, als Markus Botschafter der bundesweiten Kampagne „Positiv zusammen leben“ wird. Die Bilder hängen überlebensgroß an Plakatwänden und Bushaltestellen. In dem Kino, in dem Markus arbeitet, erfahren seine Kollegen durch Postkarten der Kampagne, dass er HIV-positiv ist.
„Ich habe immer schon für mich kämpfen müssen“, begründet Markus sein Engagement. „Durch meinen offenen Umgang mit der Infektion kämpfe ich auch für meine Leidensgenossen. Und vielleicht kann ich dazu beitragen, dass die Leute sich besser informieren und dass es mehr Aufklärung gibt als bei mir damals.“
Markus‘ Thema ist bis zum Schluss die Diskriminierung. Ausgrenzung, Anfeindungen und Schuldzuweisungen hat er immer wieder erlebt, als Schwuler wie als HIV-Positiver. „Du Aids-Schwuchtel bist doch selbst schuld“ – solche Sprüche muss er sich nicht nur einmal anhören. In einem Vorstellungsgespräch wird er gefragt, wie man denn jemanden wie ihn einstellen solle - die Kollegen könnten ja nicht einmal denselben Besteckkasten benutzen wie er. Und manche vermeintlichen Freunde wenden sich ab, weil sie denken, mit Markus könne man nichts mehr anfangen: „Der lebt eh nicht mehr lange…“
„Wer das denkt, auf dessen Grab tanz ich irgendwann noch mal“, denkt sich Markus, „so schnell wird man mich nicht los.“
Es tut weh, zurückgewiesen zu werden, aber Markus zerbricht nicht daran. Er zeigt sich und allen anderen, dass das Leben mit HIV schön und kraftvoll sein kann. Freunde und Mitstreiter kennen ihn als freundlichen und humorvollen Kerl, der weiß, was er will.
„Ich bin doch kein kleines rundes Ding mit Noppen drauf.“
Auch in der schwulen Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU der Deutschen AIDS-Hilfe setzt sich Markus für Respekt gegenüber HIV-Positiven ein. Wie können Angehörige einer diskriminierten Minderheit selbst manchmal so intolerant sein? Markus mag das nicht hinnehmen. Er will Respekt. Und er möchte, dass Positive lernen können, zu sich selbst zu stehen.
Seine Botschaft ist dabei ganz einfach: Nicht das Virus soll im Vordergrund stehen, sondern der Mensch: „Ich bin doch kein kleines rundes Ding mit Noppen drauf“, sagt er immer wieder.
Mit seinem Engagement gibt Markus vielen anderen Kraft. Mehr als zehn Jahre lebt Markus selbstbewusst und lebenslustig mit dem Virus. Dann bekommt er Krebs, vermutlich infolge seiner viel zu spät behandelten HIV-Infektion. Im November 2012 stirbt Markus im Alter von 32 Jahren.
Seine „positive Ausstrahlung“ jedoch strahlt bis heute und lebt in vielen Weggefährten weiter. Wer das Bild sieht, das Markus vor seinem Großplakat zeigt, bekommt eine Ahnung davon.
Danke, Markus, wir werden dich nicht vergessen!