EINE SCHWERE GEBURT MUSS NICHT SEIN!

Bis Franziska eine selbstbewusste HIV-positive Mutter gesunder Zwillinge werden konnte, war es ein weiter Weg. Die letzte Hürde: Unwissenheit auf Entbindungsstationen.

Wer Franziska trifft, kann kaum glauben, dass diese selbstbewusste Frau mit den Dreadlocks mit irgendetwas hinterm Berg halten könnte. Mit ihrem leicht verschmitzten, gewinnenden Lachen verströmt sie Leichtigkeit und Selbstbewusstsein. Doch hinter ihr liegt ein langer Weg: Von einer überforderten 16-Jährigen, die eine HIV-Diagnose wegstecken muss, hin zu einer selbstbewussten Mutter von Zwillingen, die aus ihrer Infektion kein Geheimnis mehr macht. Und die sich wehrt, wenn andere ihr Steine in den Weg legen.

„Ich habe lernen müssen, ohne harte Schale zu leben“

Rückblende: Mehr als zehn Jahre lang erzählt Franziska nur wenigen Menschen von ihrer Infektion. „Ich hab mir gesagt: Das geht niemanden etwas an und spielt keine Rolle.“ Niemals würde sie sich an eine Selbsthilfegruppe wenden. Ein Selbsthilfehandbuch hat zusätzlich abschreckende Wirkung auf sie: „Hinten drin waren die ganzen Patientenverfügungen und Pflegedienste und irgendwelche ekelhaften Erkrankungen, die man alle haben kann“, erinnert sich Franziska. „Damit wollte ich nichts zu tun haben. Ich habe das Ding gleich wieder zugemacht.“

Stattdessen stürzt sich die junge Hamburgerin in Aktivitäten. Sie studiert Geoökologie, arbeitet in der Forschung und Umweltorganisationen, berät Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit. Sie kommt viel rum, studiert und arbeitet in Nepal, Spanien, Marokko. Und sie treibt viel Sport, vor allem Kampfsport.

„Ich habe mich sehr stark über körperliche Leistung definiert“, erzählt Franziska, „es war unglaublich wichtig für mich, mich stark zu fühlen.“ Aber dann verletzt sie sich bei einem Kampf so schwer am Knie, dass sie über ein Jahr lang nur an Krücken gehen kann. Davon ausgebremst, beginnt sie, über sich selbst nachzudenken: „Ich habe lernen müssen, ohne diese harte Schale zu leben. Das war ein ganz schwerer Prozess.“

„Ich hatte Angst davor, Medikamente zu nehmen“

Lange Zeit will Franziska auch keine HIV-Medikamente nehmen: „Ich hatte Angst davor und wollte mich nicht krank fühlen.“ Sie macht lediglich ihre Checks, auch auf ihren Reisen.

Die Wende kommt, als sie für drei Jahre in Barcelona lebt und arbeitet. Im katalanischen Gesundheitssystem gibt es keine freie Arztwahl. Die für sie zuständige Ärztin macht ihr freundlich, aber unmissverständlich klar, dass sie mit der Therapie beginnen muss, wenn sie weiter medizinisch versorgt werden möchte.

Mit einer Wagenladung Fragen zur HIV-Therapie und zum fremden Gesundheitssystem geht Franziska das erste Mal zu einer Beratungsstelle der HIV-Selbsthilfe und erlebt dort eine Herzlichkeit, die sie bis dahin nicht gekannt hat. Plötzlich wird alles viel einfacher. „Es ist entlastend, sich mit anderen auszutauschen und Informationen zu bekommen, die es braucht, um die Angst zu verlieren.“

Seit Franziska vor drei Jahren zurück nach Deutschland gezogen ist, engagiert sie sich in der Aidshilfearbeit, mittlerweile ist sie Geschäftsführerin der Aidshilfe Baden-Württemberg. Eine erstaunliche Karriere für jemanden, der mit Selbsthilfe früher nichts zu tun haben wollte. „Wenn man einmal Hilfe annehmen konnte und aus so einem Loch wieder rausgekommen ist, dann ist das ein sehr motivierendes Gefühl“, erklärt Franziska. „Daraus schöpfe ich mein Selbstbewusstsein und meinen Mut.“

„Aus der Selbsthilfe schöpfe ich Mut.“

Beides braucht sie, als sie sich entscheidet, Mutter zu werden. Das ist heute für HIV-positive Frauen problemlos möglich, inklusive der Geburt auf natürlichem Wege, denn die HIV-Medikamente verhindern auch die Übertragung des Virus auf das Kind. Doch in vielen medizinischen Einrichtungen ist dieses Wissen noch nicht angekommen, Frauen werden zu unnötigen Vorsichtsmaßnahmen gedrängt, etwa zum vorzeitigen Kaiserschnitt (siehe Infokasten).

„Ich wollte ein normales Geburtserlebnis!“

Franziska liegt viel an einem „normalen Geburtserlebnis“. Nach einem „abschreckenden Vorgespräch“ in einer Klinik bei ihr in der Nähe entscheidet sie sich für eine Einrichtung in Frankfurt, die beim Thema HIV viel Erfahrung hat – 150 Kilometer entfernt von Karlsruhe, wo sie heute mit ihrem Mann lebt. Zwei Wochen vor dem errechneten Termin bezieht die werdende Mutter Quartier in einer Frankfurter Jugendherberge. „Ich wollte in der Nähe der Klinik sein. Nicht eine Autobahn mit Eisregen sollte meine Winterkinder begrüßen, sondern ein schöner Kreißsaal mit freundlichen Ärzten.“ Der Plan geht auf.

Nun also führt Franziska plötzlich ein Leben mit einjährigen Zwillingen und einem neuen Job als Geschäftsführerin. Die damit verbundenen Anstrengungen nimmt sie locker. „Vielen alltäglichen Problemen begegne ich mit großer Gelassenheit, denn ich weiß, dass es Schlimmeres gibt. Vielleicht macht mich das wirklich zu einer besseren Mutter.“

 
Sagt sie und grinst.

 

Frauke Oppenberg

 

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