FAIRTRADE GIBT’S AUCH BEI BLOWJOBS.

Das Herz schlug Emy bis zum Hals, als sie vor vier Jahren zum ersten Mal in den Berliner Nachtclub Trocadero ging. Es war ein Vorstellungsgespräch der ungewöhnlichen Art: Emy wollte hier als Sexarbeiterin anfangen. Neuland für die Frau, die ihr Alter mit „zwischen 23 und 45“ angibt.

„Ich brauchte Geld und mir ist nicht viel eingefallen, was ich sonst arbeiten könnte“, erinnert sie sich. „Um genau zu sein: Mir ist gar nichts anderes eingefallen.“ Sie macht ihre Arbeit selbstbewusst, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich schon längere Zeit mit ihrer Sexualität und ihrem Körper beschäftigt.

Emy Fem hatte sich schon vorher viel mit Sexualität und Körperwahrnehmung auseinander gesetzt.

Für ihre Anerkennung als Frau hat sie lange gekämpft. „Ich muss als Transsexarbeiterin arbeiten, da Ihr Körper nicht der weiblichen Norm entspricht“, erklärt sie, die sich selbst „vor allem als Femme“ sieht, also als eine feminine, selbstbestimmte Lesbe.

Der Schritt in die Sexarbeit fiel ihr nach dieser Vorgeschichte leichter. Aber auch sie hatte ihre Vorurteile und Bilder von ihrem neuen Beruf im Kopf. „Der geschäftliche Charakter war mir vorher nicht so bewusst“, sagt sie heute, „Sexarbeit ist eine Dienstleistung, deren Bedingungen ausgehandelt werden, und ich habe die Fäden in der Hand.“

„Ich habe die Fäden in der Hand.“

Emy Fem wohnt in einem feministischem Hausprojekt, ein Umfeld gesucht, in dem ihre Arbeit akzeptiert wird. Keiner fragt mehr, wenn sie beim gemeinschaftlichen Kochen einen Anruf bekommt und dann schnell im Bad verschwindet.

Einige ihrer Mitbewohnerinnen übernehmen–  wie manche Freundinnen und Kolleginnen - auch hin und wieder den Job des sogenannten Backups. „Das ist meine Versicherung“, erklärt Emy, die mittlerweile den Job in der Bar aufgegeben hat und Hausbesuche macht. Bei jedem Date mit einem Freier ruft sie nach der Bezahlung ihr Backup an und teilt mit, ob alles okay ist. So schützt sie sich vor Übergriffen. Passiert ist ihr bisher noch nichts, sie weiß aber auch, dass ihr Job gefährlich werden kann. Ohne Backup geht Emy Fem deshalb nie zu einem Kunden.

Allerdings ist es manchmal gar nicht so einfach, jemanden zu finden, der den Backup-Job übernimmt. Einmal brauchte Emy ganz spontan jemanden morgens um 5 Uhr. Da war sie mit einem Freund unterwegs und musste ihn zum ersten Mal mit ihrem Beruf konfrontieren. „Er hat einmal tief durchgeatmet, noch etwas getrunken und den Backup dann gemacht“, erzählt sie lachend.

Ein anderes Mal kam sie von einem Termin mit einem Freier zurück nach Hause und platzte mitten in eine Party. „Der Kunde hatte eine Businessfrau bestellt und da musste ich schon erklären, warum ich so aussehe“, berichtet Emy.  Bei der Erinnerung an die verdutzten Gesichter im Hausprojekt muss sie schmunzeln.

Ihre Offenheit und Souveränität im Umgang mit dem Job ist selten in ihrer Branche, weiß Emy Fem. „Die meisten meiner Kolleginnen können nicht so out sein wie ich es bin.“ Sie kennt einige Sexarbeiterinnen, die ihren Beruf selbst vor ihren Ehemännern verheimlichen.

Für Emy Fem kommt dieses Versteckspiel nicht in Frage. Nicht nur ihr engstes Umfeld weiß Bescheid. Als Performance-Künstlerin hat sie 2012 auf der Bühne offen ausgesprochen, dass sie eine Sexarbeiterin ist.

Auch ihren Kindern hat sie erklärt, wie sie ihr Geld verdient. „Sie respektieren mich und das, was ich tue“, sagt Emy stolz. Die Vorstellung, dass ihre Tochter Zoé beruflich in ihre Fußstapfen treten könnte, findet sie allerdings „nicht so gut – weil sie noch zu jung ist. Wenn sie später mal anschaffen sollte hätte ich keine  Probleme damit.“ Zoé habe mit ihren 16 Jahren noch nicht den nötigen selbstbestimmten Umgang mit ihrem Körper.

„My Body is my Business!“

„My body is my business!” steht auf einem Button an Emys Handtasche. Ein englisches Wortspiel: Ihr Körper ist ihre Angelegenheit, niemand hat ihr reinzureden. Und ihr Körper ist ihr Geschäft. 

Ein schönes Kapital, findet die Sexarbeiterin. „Es macht doch Spaß, seinen Körper wertzuschätzen“, findet die selbstbewusste Frau. Auf ihr Kapital acht zu geben, ist allerdings nicht immer einfach. Jeder vierte Kunde, schätzt Emy Fem, fragt nach ungeschütztem Sex, „weil sie nicht nachdenken und in ihrer Geilheit den Kopf ausschalten.“

Dass sie solche Anfragen ablehnen kann, hält sie für ein Privileg: „Ich kann es mir leisten, „Nein“ zu sagen. Viele meiner Kolleginnen können das nicht.“ Weil sie nicht aufgeklärt sind, weil sie dem Druck der Freier nicht standhalten können oder weil sie einfach das Geld brauchen, das ihnen für unsafen Sex geboten wird. „Ich bin privilegiert“, sagt Emy. „Ich spreche Deutsch, bin in dieser Kultur aufgewachsen. Und ich hab eine feste Adresse und keine Probleme in punkto Krankenversicherung.“

Urteilen will sie über ihre diese Kolleginnen nicht: „Wenn jemand keine Wahl hat, ist es nicht okay, das Verhalten von außen zu bewerten“. Stattdessen bietet sie Workshops an, in denen sie Frauen zu mehr Körperbewusstsein und Selbstvertrauen verhelfen möchte.

„Ich möchte mich solidarisch verhalten mit denen, die meine Vorteile nicht haben“, erklärt Emy Fem ihr Engagement. „Viele von uns sind mehrfach stigmatisiert. Person of Colour, Trans*personen und viele andere Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter werden im Alltag häufig auf mehreren Ebenen diskriminiert.“

Damit sich das ändert und ihr Beruf anerkannt wird wie alle anderen, wünscht sich die engagierte Frau vor allem eine gesellschaftliche Akzeptanz der Prostitution, „dass man uns mehr zuhört. Und zwar so, dass auch verstanden wird, was wir sagen.“

Emy Fem möchte, dass man ihr auf Augenhöhe begegnet. „Ich bin ein Mensch. Ich arbeite. Und ich möchte als arbeitende Person wahrgenommen und respektiert werden.“

Frauke Oppenberg

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